Am 9. März 1832 stellte August Kestner dieses Fragment eines Gefäßes in Kameoglastechnik bei den Adunanzen des Instituto di Corrispondenza Archeologica vor. Was er damals noch nicht kannte, ist die besondere Herstellungstechnik dieser Gefäße, die Glastöpferei.
Ähnlich der Herstellung von Reliefkeramik wird zunächst die heiße, weiße Glasmasse in eine Formschüssel mit negativ eingeschnittenem Dekor durch drehendes Pressen eingebracht. Anschließend wird die blaue, sogenannte Matrix mit einem Stempel in die auf der Töpferscheibe rotierende Form gedrückt. Da Glas während des Erkaltens nicht schrumpft, wird die Form anschließend vorschichtig zerschlagen, um das fertige Gefäß zu entnehmen. Auf diese Weise ist jedes in dieser Technik hergestellte Gefäß ein Unikat. Bis in 1990er Jahre galt die archäologische Lehrmeinung, dass die sogenannten Kameogläser durch den weißen Glasüberfang auf das farbige Gefäß entstanden sind, indem wie bei der Herstellung von Kameen aus mehrschichtigen Edelsteinen das positive Reliefbild herausgearbeitet wurde.
Der Krümmungsgrad der Gefäßlippe und der steilen Wandung lässt auf einen zu errechnenden Umfang von etwa 36 cm schließen. Zu rekonstruieren wäre ein Trinkgefäß in Form eines Skyphos oder eines Kantharos mit jeweils zwei Ringhenkeln mit Daumenplatte. Glasgefäße dieser Technik sind typisch für den Tafelluxus des augusteischen Klassizismus.
Die Interpretation der dargestellten erhaltenen Figuren ist problematisch. Bekleidung (Untergewand, Himation) und Attribute (Schriftrolle, Wulstbinde) des bärtigen älteren Mannes verweisen auf einen heroisierten Dichter, womöglich Homer, Stab bzw. Zepter des Thronenden auf eine Gottheit. (AVS)
Ehem. Sammlung August Kestner, Rom